Rainer Schorr: Berlin zieht ins Umland

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Brandenburg gehört zu den stärksten Wachstumsregionen in Deutschland. Das liegt vor allem an dem Zuzug aus Berlin. Über eine Millionen Berliner sind seit 1990 nach Brandenburg gezogen. Und auch in diesem Jahrzehnt wird sich dieser Trend fortsetzen. Beispielhaft ist die Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam: Die Boomtown der Mark, die von 139.000 Einwohnern im Jahr 1990 auf inzwischen 181.000 Einwohner wuchs, soll 2030 knapp 200.000 Einwohner haben, was einem Bevölkerungszuwachs von fast 10 Prozent entspricht. In der Folge steigen auch die Immobilienwerte. So legten die Kaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser in Potsdam nach Zahlen des Maklers von Poll im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um satte 18,5 Prozent zu. In Berlin, wo die Bevölkerung aktuell stagniert, verzeichnete von Poll 2020 dagegen nur eine Preissteigerung um 7,1 Prozent.

Etwa 700.000 Euro müssen Immobilienkäufer in Potsdam aktuell für ein Ein- oder Zweifamilienhaus zahlen. Das preisliche Mittelfeld wird von den Landkreisen angeführt, die unmittelbar an Berlin angrenzen. Dort sind Häuser schon deutlich günstiger als in der Metropole, wo im Schnitt etwa 750.000 Euro aufgerufen werden. In Potsdam-Mittelmark kostet ein Einfamilienhaus durchschnittlich 449.000 Euro. Im Kreis Oberhavel, nördlich von Berlin liegt der Durchschnittspreis bei 419.000 Euro und im westlich gelegenen Havelland bei 410.000 Euro.

„Für Menschen, die sich in der Region eine Immobilie kaufen wollen, macht Pendeln durchaus Sinn“, sagt Rainer Schorr, Geschäftsführer der PRS Family Tust GmbH. Das bestätige auch eine von der Postbank beauftragte Studie. Die Autoren untersuchen die Kosten für das Pendeln in die sieben größten deutschen Städte sowie die dortigen Wohnungspreise und vergleichen diese mit den Wohnungspreisen in den größten Umlandgemeinden. Am besten schneidet darin Bernau im nördlichen Umland von Berlin ab. Nach einem Kauf dauert es dort aktuell 37,4 Jahre, bis der Kostenvorteil des günstigeren Immobilienerwerbs im Umland durch Fahrtkosten und -zeit in die Metropole aufgezehrt ist. Verglichen wurde der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung in der jeweiligen Großstadt mit dem Erwerb in den angrenzenden Landkreisen zum regionalen Durchschnittspreis.

Doch die Preise im Berliner Umland holen auf. Das gilt vor allem für die Gebiete südöstlich Berlins. „Durch den Bau der Giga-Factory von Tesla, das Amazon-Logistik-Center und den neuen Flughafen BER sind die Baulandpreise im Kreis Dahme-Spreewald deutlich gestiegen“, sagt Rainer Schorr. In der Region werden Einfamilienhäuser aktuell auf durchschnittlich rund 400.000 Euro taxiert. Etwas unter diesem Niveau befinden sich Immobilien im westlich gelegenen Landkreis Teltow-Fläming. „Kaufinteressenten werfen vermehrt einen Blick auf die äußeren Ringe um Berlin und das weitere Umland“, sagt Schorr. „Dabei haben sie vor allem Standorte entlang der Bahntrassen im Blick“.

Vor einer regelrechten Umwälzung steht hingegen der Landkreis Oder-Spree, in dem sich kurz hinter der Grenze zu Berlin die Gemeinde Grünheide befindet. Bis in den November 2019 war Grünheide mit insgesamt 8.000 Einwohnern ein Dorf wie viele andere auch. Dann gab Elon Musk bekannt, dass in einem benachbarten Waldgebiet die neue Gigafabrik von Tesla gebaut werden soll. Rund 12.000 neue Mitarbeiter wird Tesla in den kommenden Jahren in Grünheide beschäftigen. In der Endausbaustufe des Werkes könnten es bis zu 40.000 Beschäftigte sein. Bis zu 40.000 neue Wohnungen könnten nach dem landesplanerischen Konzept dafür in der Region entstehen – vom Eigenheim bis zum Mehrfamilienhaus. Der Landrat des Kreises Oder-Spree, Rolf Lindemann, schätzt, dass 20 bis 25 Prozent der 12.000 neuen Beschäftigten mit ihren Familien Wohnraum in Grünheide und entlang der Autobahn A12 beziehungsweise der Bahnstrecke nach Frankfurt (Oder) suchen werden. Auch die benachbarte Kleinstadt Erkner stellt sich auf eine deutlich wachsende Wohnungsnachfrage mit spürbaren Auswirkungen auf die Preisbildung ein.

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